Pino wachte auf und rieb sich die Stirn… Was war passiert? Er fühlte eine dicke Beule unterhalb des orangen Gnubbels, der da schon immer auf seinem Kopf war…
Leicht benommen schaute er sich um Er sah noch verschwommen, aber er kniff die Augen zusammen und erkannte, dass er in einem Wald auf einer Lichtung lag. Neben ihm eine erloschene Feuerstelle.
Bilder gingen durch seinen Kopf… eine Feuerstelle… Es tanzen Wesen um diese… sie schweben… Er hatte einen Geruch in der Nase. Es roch nach Rauch und Ruß, aber etwas anderes war da noch… Süßlich? Blumig? Sein Gehirn versuchte, Puzzleteile zusammen zu fügen, aber er konnte nicht zuordnen, woher dieser Geruch kam.
Majestätisch große, wunderschöne Drachen! Ihre bunten Schuppen funkeln im Licht der Sonne! Wie der Morgennebel über einem See lichtete sich zunehmend der Blick auf seine Erinnerungen. Drachen? Das war mal seine Familie! Ganz im Gegensatz zu ihnen war er alles andere als riesig und schön. Jedenfalls in ihren Augen… Sie hatten ihn verstoßen, weil er ihrer Meinung nach der Sippe der Drachen Schande bereitete. “Du bist viel zu klein! Wer soll sich vor Dir fürchten?”
So zog er durch die Lande. Allein. Und wirklich: Wenn er auf Menschen stieß, waren sie eher amüsiert als erschrocken. “Du willst ein Drache sein? Wir kennen den fürchterlichen Flammenmaul und den alles ertränkenden Wellenspucker… DAS sind Drachen. Sie haben uns unsere Felder verbrannt und unsere Dörfer geflutet, aber Du?“. Tatsächlich wusste Pino nicht, warum er Felder und Dörfer zerstören sollte, aber offensichtlich war das die Aufgabe eines echten Drachen. Er selbst stieß hingegen höchstens kleine Rauchwölkchen aus, wenn er husten musste.
Er stand auf und seine Füße standen in feinem Sand. Das erstaunte ihn, denn der Boden erinnerte ihn eher an die kargen Ebenen, durch die er gewandert war, als an den fruchtbaren Boden, der in einem Wald zu vermuten war.
Aus den Bäumen hörte er ein Kichern. Er ist aufgewacht! Schaut! Er kniff wieder die Augen zusammen und sah ein Flattern in den Wipfeln der Bäume, das nicht von den Blättern herrührte. Er erkannte sehr kleine Wesen mit viel zu großen Flügelchen, die die Abendsonne reflektierten. Sie summten herum, zeigten auf ihn. Sie zeigten auf den orangen Gnubbel auf seinem Kopf. Mach es noch mal!
Verwirrt griff er sich an seinen Gnubbel. Als er das tat, sah er wie die Feuerstelle sich verwandelte. Ruß wurde zu Holz, Holz wurde zu einem Setzling… Erschrocken ließ er den Gnubbel wieder los. Hör nicht auf! rief es aus den Bäumen. Vorsichtig berührte er die Stelle an seinem Kopf und aus dem Setzling sproß eine Blüte. Dann zwei, dann drei und bald erstrahlte die gesamte Lichtung in einem Meer aus bunten Blüten!
“Blumento! Unsere Ahnen erzählten uns, dass Du eines Tages erscheinen würdest!”
Der Nebel um seine Erinnerungen lichtete sich plötzlich. Er war alleine durch die karge Ebene gewandert. Die kleinen geflügelten Wesen waren erschienen, hatten gekichert und über seinen Kopf einen Eimer voll Wasser ausgekippt. Unter ihm wuchs etwas. Ein Baum. Er wurde in die Höhe getragen und, völlig überrascht von der Szenerie, fiel er zu Boden, an die Stelle, wo er soeben aufgewacht war.
Er war kein großer, fürchterlicher Drache. Er war Pino, der Blumendrache. Das erkannte er nun und er hatte in den kleinen geflügelten Wesen seine ersten Freunde gefunden, die sehnlichst auf ihn gewartet hatten, dass er ihre karge Ebene in einen fruchtbares Tal voller Blumen und Wälder verwandeln würde.