„Ach, das funktioniert doch eh nicht!“ Lallte der grobschlächtige Händler, und warf die Phiole, die er nicht lange vorher einem zwielichtigen Quacksalber abgekauft hatte neben der Taverne, aus der er gerade gestolpert war ins Gestrüpp.
Das kleine Glasfläschchen zerbarst auf einem Stein und sein modrig riechender gelblicher Inhalt ergoss sich rund um einen kleinen violetten Pilz, der erst heute morgen seinen Kopf aus dem Boden gesteckt hatte. So oder so ähnlich beginnt die Geschichte von Mycelia, der Bardin.
Denn in einem hatte der betrunkene Händler unrecht: Der übelriechende Trank, den er so achtlos von sich warf, funktionierte durchaus. Vielleicht nicht so wie er es beim Kauf im Sinn hatte, aber er funktionierte. Ausgezeichnet sogar.
Er verhalf Mycelia dazu, den Ort ihres bisherigen Lebens zu verlassen. Als Pilz bewegt es sich einfach so unendlich langsam voran. Seit sie zu Bewusstsein gekommen war, wann und warum das genau geschehen war, wusste sie selbst nicht, hatte sie Tag ein, Tag aus, dem Klängen der Barden und Schausteller gelauscht, die das Leben der Besucher angenehmer und das von Mycelia so viel interessanter machten. Oh, wie interessant das Leben der unterschiedlichen Leute doch sein musste.
Der Trank kam für sie wie ein Geschenk des Narren, dem Gott der Barden, dem so viele Lieder und Stücke gewidmet waren.
Mycelia kannte sie alle, Lieder die laut gesungen wurden, Gerüche die leise hinter ihrem Gebüsch ausgetauscht wurden.
Als die Flüssigkeit langsam in den Boden sickerte, Mycelia ganzen Körper tränkte, begann sie sich zu regen, ihre Arme aus der dünnen Erdschicht zu heben und sich aus dem Boden zu stemmen. Sie erhob sich, klopfte sich die Erde aus dem violetten Kleid, und trat aus dem Gestrüpp auf den von Fackeln beleuchteten Weg. Sie blickte zufrieden auf ihr Spiegelbild in einer Pfütze von Regen des Tages. Von einer Menschenfrau nicht zu unterscheiden. Etwas blass vielleicht, aber das zeugte den Liedern zufolge sowieso von nobler Herkunft und schien vorteilhaft zu sein.
Mycelia räusperte sich, und freute sich, eine klare helle Stimme zu hören.
Voll Zuversicht betrat sie die Taverne. Sie genoss die Blicke der Gäste, als sie durch die Tür trat und zielstrebig auf die Mitte des Raumes zuging. Von dort kam Musik aus einem wundersamen Gefäß, das sich der Barden um den Hals gehängt hatte und daran mit seinem Finger zupfte. Bevor sie jemand aufhalten konnte, trat sie zu dem Mann, der eine ihre bekannte Melodie spielte und begann den ihr bekannten Text zu singen. Der Lautenspieler kam kurz vor Erstaunen aus dem Takt, fing sich aber schnell und begleitete Mycelia bis in den tosenden Applaus.
Was für ein Abend. Die Gäste konnten nicht genug bekommen und Gaspar, der Lautenspieler, war froh. Begeistertes Publikum bedeutete schließlich mehr Geld. Der Wirt hatte Mycelia im Gegenzug für einen weiteren Abend ein Zimmer angeboten.
Mycelia betrat die dunkle Kammer. Eine Hand kam von hinten und drückte ihr den Mund zu, während Sie weiter in den Raum gestoßen wurde. „Jetzt nicht schreien ja.“ Eine kalte raspelnde Stimme drückte sie auf einen Stuhl. Die Gestalt murmelte etwas und Mycelia schloss zuckend die Augen. Plötzlich war ein Lichtball im Zimmer aufgetaucht der die Dunkelheit zumindest ein wenig verdrängte. Das gesamte Zimmer war in blau-grünes Licht getaucht. Sie blickte zu der Gestalt. Ihr gesamtes Gesicht war weiterhin in Dunkelheit gehüllt. Nur eine lange spitze Nase war zu sehen. Im Licht sah die Haut darauf grünlich-krank aus. „Wer, Was…. Lasst mich gehen!“ brachte Mycelia heraus. „Tss, tss, tss“ tadelte der Fremde mit der raspelnden Stimme. „Keine Sorge meine teuerste. Es wird nichts geschehen.“ Er kicherte dreckig in sich hinein. „Gefällt dir mein Trank? Ausgesprochen ordentliche Wirkung, wenn ich das selbst sagen darf.“ Mycelia blickte ihn nur entsetzt an. ‚Was würde mit ihr passieren? War es an ihrem ersten Tag unter den Zweibeinern schon wieder vorbei? Das konnte Sie nicht zulassen.‘ „Oh, lasst das lieber.“ Der Eindringling schien ihre Gedanken zu erraten. „Weißt du,“ er zog ein kleines Fläschchen aus der Tasche öffnete es bedächtig und kippte Mycelia den Inhalt über den Handrücken. Entsetzt riss sie die Augen auf. Pilze empfinden zwar keinen Schmerz, aber sie konnte sehr wohl sehen, wie sich ein Loch in ihren Handrücken fraß. Eine weitere Flüssigkeit folgte und das Loch hörte auf größer zu werden. Erstaunt beobachtete Mycelia wie dünne weiße Fäden über die Wunde krochen und das Loch in ihrer Hand nach ein paar Augenblicken fast schon nicht mehr zu sehen war. „Wirklich faszinierend so ein Körper.“ Der Fremde kicherte wieder dreckig. Dann wurde seine Stimme noch kälter. „Ich denke meine Nachricht ist angekommen. Erledige ein paar Aufgaben für mich und du kannst dein Leben in Ruhm und Applaus weiterleben.“ Er spuckte bei dieser Vorstellung verächtlich aus. „Verrate es jemandem und, nun ja…“ er begann wieder zu kichern. „Ich melde mich wieder.“ Das Licht verschwand und mit ihm die boshafte Gestalt.
So kam Mycelia, die strahlende Bardin noch in ihrer ersten Nacht zu zwei dunkle Geheimnisse, die nie jemand erfahren durfte.
Von whatsgoingdom