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    11 months ago

    Naja. Ich frage mich wie glaubhaft dieses Engagement ist, wenn sie trotzdem Rechtsextreme wählen.

    https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kommentar-benjamin-netanjahu-israel-die-neue-rechtsextreme-regierung-verspricht-eskalation-li.300370

    Israel hat Anfang November gewählt, jetzt sitzt die neue Regierung im Sattel. Es ist eine rechtsradikale Koalition, deren Bildung der israelische Philosoph Omri Boehm zuletzt nicht ganz unzutreffend als Israels „Weimar-Moment“ beschrieben hat.

    Ihre Protagonisten hetzen offen gegen Palästinenser inner- wie außerhalb Israels sowie gegen linke oder auch nur besatzungskritische „Abweichler“, in Israel gern als „Verräter“ bezeichnet.

    Zusammengesetzt ist die Regierung aus der Mitte-rechts-Partei Likud unter Führung des wegen Korruption angeklagten Premiers Benjamin Netanjahu, der jetzt sein politisches Comeback feiert und seinen ultranationalen Partnern Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir von den Parteien Religious Zionism und Otzma Yehudit – sowie der offen homo- und transfeindlichen Noam-Partei.

    Die gängigen talking points von Politikerinnen wie Giorgia Meloni, Marine Le Pen und Alice Weidel – Einwanderung zu stoppen, im Sinn nationaler Ethnokratie – werden in Israel von Ben-Gvir genauso geteilt wie vom Ex-Premier Yair Lapid, der vor der Wahl als „linke“ Alternative zur Netanjahu-Regierung gehandelt wurde.

    Dass jüdische Israelis in Israel/Palästina Rechte besitzen, die Palästinenser nicht besitzen und dass Israel auch nicht vor hat, ein pluralistischer „Staat für alle seine Bürger“ zu werden, darüber sind sich im israelischen Parlament, der Knesset, von Lapid über Netanjahu bis Ben-Gvir im Grunde genommen alle einig.

    Ben-Gvir, der in der Vergangenheit wegen Anstiftung zu Terrorismus verurteilt wurde, gründet seine Rhetorik vielmehr auf Ideen wie der, Palästinenser aus der Westbank zu deportieren und diejenigen Palästinenser, die innerhalb Israels leben, zum nationalen Sicherheitsrisiko zu erklären.

    Was sich dieser Tage unmissverständlich abzeichnet: Ben-Gvir, der für sein unverblümt-Trump‘eskes Auftreten und seine offen rassistische Rhetorik insbesondere von einer jüngeren Generation an Israelis gefeiert wird, hat es geschafft, radikales Gedankengut in Israels politischem Zentrum zu etablieren, wo sie in dieser Zuspitzung wohl noch bis vor wenigen Jahren – zu Recht – als bizarrer Radikalismus abgetan worden wären.

    Es spricht einiges dafür, das Bild Israels als alleiniger Demokratie des Nahen Ostens, das Israel vor der Weltgemeinschaft selbstbewusst für sich beansprucht, gerade jetzt kritisch zu hinterfragen. Als ich während der Wahl selbst vor Ort war, nahm ich an einer Tour einer israelischen Menschenrechtsorganisation durch die Westbank teil. Annähernd 650.000 israelische Siedler können dort – anders als etwa Israelis, die in Deutschland oder in den USA leben, also ohne dafür überhaupt nach Israel reisen zu müssen – in jenen Siedlungen wählen, wo sie registriert sind.

    Ihre palästinensischen Nachbarn hingegen waren von der Wahl ausgeschlossen. Man stelle sich vergleichsweise vor, russische Zivilisten ohne militärischen Auftrag würden zu Hunderttausenden in die zuletzt in diesem Jahr von Russland besetzten Teile der Ukraine ziehen, dort Häuser errichten, wo einst ukrainische Häuser standen und von dort aus an russischen Wahlen teilnehmen. Die politische Doppelmoral in der Bewertung jener Kontexte seitens westlicher Staaten (und zahlreicher Beobachtender) klafft inzwischen immer eklatanter auseinander. In vielen israelischen Siedlungen liegt der Zuspruch für Ben-Gvir und Smotrich bei über 80 Prozent.

    Obwohl Ben-Gvir nach außen hin verbalradikaler auftritt als Smotrich das tut, wird letzterer auch deshalb von vielen internationalen Beobachtenden als der gefährlichere Politiker angesehen. Dies auch deshalb, weil er innerhalb Israels demokratische Standards abzubauen plant, etwa das richterliche Prüfungsrecht.

    Dieser Vorstoß könnte, so glauben viele, eine Art Dammbruch für alle möglichen Gesetzvorstöße bedeuten, die denjenigen dienen, die sie erlassen – und so Israels Judikative sowie seinen Status als funktionierende Demokratie bedrohen, auch für jüdische Israelis. Smotrich könnte Israel, so die Sorge, in Richtung einer Autokratie nach dem Vorbild von Orbáns „illiberaler Demokratie“ bewegen. Rechtsstaatlichkeit wäre fundamental bedroht. Für alle, die dort leben.

    Klar ist: Wenn diese neue Regierung eins fraglos nicht tun wird, ist es, für mehr „Sicherheit“ für Israelis zu sorgen – geschweige denn für Palästinenser. Sie verspricht stattdessen eine weitere Eskalation eines bereits jetzt kaum anders denn als katastrophal zu bezeichnenden Status quo. Sich davon nicht in aller Deutlichkeit zu distanzieren, ist kein Zeichen von Solidarität. Es ist ein Zeichen politischer Gleichgültigkeit.

    Der Artikel ist von 2022.

    • dumdum666@kbin.social
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      11 months ago

      Ich wage nicht zu beurteilen wie die Parteienlandschaft in Deutschland aussehen würde, wenn sich hier regelmäßig Menschen in die Luft sprengen würden, um möglichst viele andere Menschen zu töten, und gleichzeitig gäbe es jeden Tag Raketenangriffe auf deutsche Städte.

      Von daher wäre ich mit dem fingerpointing auf die israelische Bevölkerung eher zurückhaltend…

      das bedeutet nicht, dass ich Netanjahu und seine Schergen in irgendeiner Form gutheiße.

      • letmesleep@feddit.de
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        11 months ago

        Von daher wäre ich mit dem fingerpointing auf die israelische Bevölkerung eher zurückhaltend…

        Eben. Ich bin ehrlich gesagt beindruckt, dass da noch keiner an die Macht gekommen ist, der den Genozid-Blödsinn, an den einige Hamas-Verharmloser, tatsächlich zu glauben scheinen, zur Realität gemacht hat.

        Wenn in Israel echte Rechtsextreme an die Macht gekomen wären, dann hätte sich der Konflikt mit den Palästinensern mangels Palästinensern erledigt.

        Netanyahu ist einfach nur Mitte-Rechts und korrupt, nicht rechtsradikal.

      • brainrein@feddit.de
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        11 months ago

        Ich dagegen male mir gerne mal aus, wie unsere politische Landschaft wohl aussähe, wenn die Welt den europäischen Juden Schleswig-Holstein zum Geschenk gemacht hätte. Einschließlich Hamburg nördlich der Elbe.

        Und wenn direkt danach 80% der deutschen Bevölkerung vertrieben worden wäre, wenn es im Zuge der Vertreibungen zu Gewaltakten, gar zu Massakern an der deutschen Bevölkerung gekommen wäre. Blindwütige Racheaktionen von Juden an Deutschen.

        Bestimmt hätte die UNO darauf gepocht, dass solche Taten verboten sind, aber ganz sicher hätte jedes Land Verständnis gehabt für die Juden und kein Schwein Mitleid mit den Deutschen.

        Was wenn Deutsche sich gegen die Vertreibung gewehrt hätten, in Guerillaaktionen. Immerhin waren etliche erst drei Jahre zuvor aus dem Ostgebieten vertrieben worden und sowieso empfanden damals viele den verlorenen Krieg als Sieg der Juden.

        Was wäre wohl dann aus unserem Antisemitismus geworden? Würden wir wohl in dem Fall auch so prinzipienfest auf das Existenzrecht Israels bestehen? Wäre auch dann die Sicherheit Israels unser “raison d’état”?

        Oder hätte jede Partei mit dem Wunsch nach Regierungsverantwortung auf die Integrität Deutschlands pochen müssen, “op ewig ungedeelt”?

        Die Welt wäre mit Sicherheit Israel ‘zwischen den Meeren’ zu Hilfe gekommen. Für Deutschland wäre es eine Katastrophe gewesen, hätte uns womöglich den Wiederaufbau und die Unterstützung der USA gekostet, vielleicht sogar die EU unmöglich gemacht.

        Und dennoch, das sage ich als Schleswig-Holsteiner, wäre das die gerechtere Lösung gewesen.

        • dumdum666@kbin.social
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          11 months ago

          Ich dagegen male mir gerne mal aus, wie unsere politische Landschaft wohl aussähe, wenn die Welt den europäischen Juden Schleswig-Holstein zum Geschenk gemacht hätte. Einschließlich Hamburg nördlich der Elbe.

          Ich persönlich wäre ja für Thüringen.

          Aber Spaß beiseite: Wie kommst du auf die Idee, dass die Juden der Welt, direkt nach dem zweiten Weltkrieg (!), in direkter Nähe zu dem Volk platziert werden wollten, dass sich sehr viel Mühe dabei gegeben hat sie vollständig auszulöschen?

          Und wenn direkt danach 80% der deutschen Bevölkerung vertrieben worden wäre, wenn es im Zuge der Vertreibungen zu Gewaltakten, gar zu Massakern an der deutschen Bevölkerung gekommen wäre. Blindwütige Racheaktionen von Juden an Deutschen.

          Hast du schon mal was von Schlesien gehört? Oder den ehemaligen deutschen Gebieten östlich der Oder? Da kommt zum Beispiel ein Teil meiner Verwandtschaft her. Der Vertreibungsgrad war nicht 80% sondern 100%.

          Bestimmt hätte die UNO darauf gepocht, dass solche Taten verboten sind, aber ganz sicher hätte jedes Land Verständnis gehabt für die Juden und kein Schwein Mitleid mit den Deutschen.

          Du spielst auf die Partitionierung in 1948 an. Nachdem die Welt (!) Israel geschaffen hat, hat die UNO (League of Nations) das gesamte Thema wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Es wäre der fucking Job der UNO (League of Nations) gewesen, ihren eigenen Beschluss umzusetzen. Die Israelis wurden komplett im Stich gelassen und mussten die ganze Drecksarbeit für die UNO machen.

          Was wäre wohl dann aus unserem Antisemitismus geworden? Würden wir wohl in dem Fall auch so prinzipienfest auf das Existenzrecht Israels bestehen? Wäre auch dann die Sicherheit Israels unser “raison d’état”?

          Du meinst dieser dezente Antisemitismus der von 20% der deutschen Bevölkerung gelebt wird?

          Oder hätte jede Partei mit dem Wunsch nach Regierungsverantwortung auf die Integrität Deutschlands pochen müssen, “op ewig ungedeelt”?

          Deutschland hat viele Gebiete östlich der Elbe verloren und sich damit abgefunden. Menschen wie Steinbach vom Bund der Vertriebenen, die diesen Gebieten noch hinterher weinen, gelten in Deutschland als Ewiggestrige.

          Und dennoch, das sage ich als Schleswig-Holsteiner, wäre das die gerechtere Lösung gewesen.

          Ich persönlich halte deine persönliche Opferbereitschaft für ein reines Lippenbekenntnis.